Agrarpolitik und Bauernproteste
Ein Drittel der Mittel der EU werden für Landwirtschaft zur Verfügung gestellt. Die Landwirtschaft wurde in der EU und durch die EU liberalisiert. Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ist nicht genutzt worden, um den überfälligen sozialökologischen Umbau auch in der Landwirtschaft und den ländlichen Räumen im erforderlichen Maß voranzubringen.
Die Linke im EP erkennt die Ursache der dramatischen Situation der Landwirte in einer Politik, die Lebensmittelkonzerne und Großinvestoren bevorzugt.
Sie sichert vor allem die Profite der Agrarkonzerne. Große Teile der Landwirtschaft sind für den Verlust der Artenvielfalt mitverantwortlich. Die EU-Kommission muss ihre Orientierung an Wettbewerb und Export aufgeben. Stattdessen sollen regionale Erzeugung, Verarbeitung und Wertschöpfung, die umweltfreundlich, gesünder und sozial sind, gefördert werden. Voraussetzung für lebendige ländliche Räume ist die Ausgestaltung lokaler Ernährungsstrategien und regionaler Kreislaufwirtschaft in Kooperation aller Akteur*innen.
Wir wollen, dass Handelskonzerne Lebensmittel nicht unter Produktionswert einkaufen dürfen. Es müssen rechtliche Voraussetzungen für faire Verhandlungen zwischen Landwirt*innen und Lebensmitteleinzelhandel über allgemeine Bedingungen, Lieferbedingungen und Preise geschaffen werden.
Die EU-Subventionen bevorzugen Großbetriebe. Statt Flächenprämien wollen wir mit zielgerichteten Subventionen nach ökologischen Kriterien die Landwirtschaft zukunftssicher machen – damit sie langfristig nicht mehr von Subventionen abhängig ist. Die Linke im EP fordert, dass die EU-Agrarförderung, insbesondere die sogenannten Flächenprämien, künftig nach sozialen, ökologischen und gemeinwohlorientierten Kriterien eingesetzt wird und für einen nachhaltigen Umbau von Landwirtschaft und Ernährung.
Die Linke im EP setzt sich für das Konzept „Gute Arbeit“ auch in der Landwirtschaft ein mit flächendeckenden gesetzlichen Mindestlöhnen. Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze müssen auch für mitarbeitende Familienangehörige und Saisonarbeitskräfte Normalität sein. Die Förderung von jungen Landwirt*innen wollen wir ausweiten. Die pauschale Förderung von Junglandwirt*innen der GAP wollen wir in der gesamten EU durch eine nicht flächengebundene Förderung ersetzen.
Um das an sich reißen von Land, auch Land Grabbing genannt, von Großkonzernen zu verhindern, braucht es mehr Transparenz am Bodenmarkt. Dafür wollen wir Grundbücher öffentlich machen. Böden dürfen nicht zu Spekulationsobjekten gemacht werden. Wir wollen Land Grabbing – auch durch intransparente Share Deals – verbieten und die Ernährungssouveränität sichern. Die Linke im EP fordert ein EU-Bodengesetz, das eine sozial gerechte Verteilung landwirtschaftlicher Nutzflächen und die Bodenfruchtbarkeit sicherstellt. Staatliche Pachtverträge müssen nach sozialen und ökologischen Kriterien vergeben werden. Wir wollen eine Pachtpreis- und Kaufpreisbremse einführen, die den Zugang zu Land für Akteure ohne oder mit wenig Geld, gemeinwohlorientierte Bodenträger und landwirtschaftliche Existenzgründer*innen erleichtert.
Die Bauernproteste in Deutschland sind das direkte Ergebnis einer Agrarpolitik, die die Lebensrealitäten kleiner und mittlerer Landwirtschaftsbetriebe ignoriert und stattdessen den Interessen großer Agrarkonzerne und Lebensmittelproduzenten Vorrang gibt. Die Bäuerinnen und Bauern haben gute Gründe für ihren Aufstand. 30 Jahre verfehlte Agrarpolitik haben die Landwirtschaft so zerstört, dass sie jetzt ohne Subventionen nicht mehr überleben kann. Sie ist durch Preisdumping der Handelsketten und steigende Pachtpreise aufgrund von Bodenspekulation gebeutelt.
Bei den Kürzungen in Deutschland fehlte es an Dialogbereitschaft des verantwortlichen Finanzministers von der FDP und der gesamten Regierung. Die von den Kürzungen betroffenen Landwirte wurden bei der Erarbeitung der Agrarpolitik außer Acht gelassen. Eine lebenswerte Zukunft auf dem Land kann nur in Zusammenarbeit mit den dort Lebenden und Arbeitenden gestaltet werden. Die für die Landwirtschaft getroffenen politischen Entscheidungen zerstören nicht nur die ökonomische Basis vieler bäuerlicher Betriebe, sondern gefährden auch die ökologische und soziale Nachhaltigkeit der Landwirtschaft in Deutschland.
Wir wollen die Distanz zwischen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen reduzieren: Wo verbraucht wird, soll auch bevorzugt hergestellt werden. Dadurch werden Lieferketten kürzer und ökologischer. Das sichert lokale Arbeitsplätze und stärkt die Regionen abseits der Metropolen. Dabei gilt: Produktion so lokal wie möglich, so global wie nötig! Um das zu unterstützen, setzen wir uns im Europaparlament für eine EU-weite transparente und verlässliche Herkunfts-, Nachhaltigkeits- und Regionalkennzeichnung ein (Sustainable Food System Law).
Die Linke im EP setzt sich für mehr Bienen, mehr Käfer, für eine insektenfreundliche Landwirtschaft. Wir wollen den Einsatz von chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln und chemischen Unkrautvernichtungsmitteln drastisch reduzieren. Eine Aufteilung in Schutz- und Schmutzgebiete lehnen wir ab. Pflanzenschutzmittel und vielgliedrige Fruchtfolgen müssen verringert werden. Wir setzen uns für das Grundprinzip des integrierten Pflanzenschutzes ein: Vorrang für biologische, züchterische sowie anbau- und kulturtechnische Maßnahmen vor chemischen Mitteln.
Die Linke im EP stellt sich konsequent gegen eine Verlängerung der Zulassung für Glyphosat, das von der WHO als wahrscheinlich krebserregend eingestuft wurde. Damit soll unsere Landbevölkerung nicht in Kontakt kommen müssen. Wir fordern ein Produktions- und Exportverbot von hochgefährlichen Wirkstoffen für Pflanzenschutzmittel. Die Monopole und Oligopole bei Saatgut, Agrochemie und Düngemittelindustrie, in der Lebensmittelherstellung und im Lebensmittelhandel müssen zerschlagen werden. Die Entwicklung sicherer Pflanzenschutzmethoden soll durch EU-Mittel gefördert werden.
Die Linke im EP hört den Bauernprotesten zu und unterstützt die Forderungen nach fairen Preisen und guten Arbeitsbedingungen, die es den Landwirten ermöglichen, nachhaltig zu wirtschaften. Bäuerinnen und Bauern und ihre Angestellten müssen für ihre Leistungen im Bereich Umwelt-, Klima- und Tierschutz angemessen entlohnt werden. Agrarpolitik darf nicht zu Lasten kleiner und mittelständischer Betriebe gehen, sondern muss diese gezielt fördern.
Wir setzen uns für die Ausweitung der Prämien in der Landwirtschaft für das Anpflanzen von Hülsenfrüchten ein, für die Förderung des Verzehrs und für die Aufwertung von Böden. Das ist Teil einer Eiweiß-/Proteinstrategie und eines nachhaltigen Ackerbaukonzepts. Wir wollen Futtermittelimporte abbauen. Mit Nahrungsmitteln darf nicht spekuliert werden. Der Import von Biokraftstoffen aus Nahrungsmitteln wie Mais und Getreide in die EU (und nach Deutschland) sollte verboten werden. Solange auf der Erde Menschen hungern, gehört Nahrung nicht in den Tank. Auch die Spekulation mit Nahrungsmitteln, die wenige Reiche reicher macht, muss verboten werden, damit die Menschen in Europa und weltweit nicht wegen hoher Lebensmittelpreise hungern müssen.
Wir wollen ein umfassendes Förder- und Weiterbildungsprogramm für Landwirt*innen entwickeln, das finanzielle Unterstützung leistet und Wissen für die sozialökologische Agrarwende schafft.